Ralf & mohamad

Übers neue Türen öffnen, auf Bühnen stehen
und über den Tellerrand schauen. 

Immer wieder kommt innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen die Frage auf, was Freundschaft denn eigentlich bedeutet. Geht es darum, wie viel Zeit man miteinander verbringt oder wie intensiv diese eigentlich ist? Ist die Freundschaft zur Schulkameradin enger, weil man sie schon so lang kennt oder diejenige zu dem einen verschollenen Freund irgendwo in Mitte von Deutschland, den man fast nie sieht, aber bei dem die Zeit endlos schnell vergeht, wenn man sich dann doch mal begegnet?

Ralf ist Theaterpädagoge und lebt in Biberach. Mohamad ist Ehrenamtskoodinator bei Über den Tellerrand in Lüneburg: Über zwei Personen, die weder geografische noch charakterliche Distanz von einer Freundschaft abhält. Über zwei Personen, die Dir zeigen, warum es wichtig ist, sich zu engagieren, oder Du am besten morgen damit anfängst. Und über eine gemeinsame Leidenschaft: die Bühne.

Gehen wir mal an den Anfang, wie kommt ihr an den Küchentisch von Über den Tellerrand?
Mohamad: Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich total motiviert. Ich hatte in München aber leider kein Glück. Ich habe in einem kleinen Dorf gewohnt und eineinhalb Jahre auf einen Job gewartet. Das war wirklich sehr schwer für mich, weil ich weder arbeiten noch studieren durfte. Dann hatte ich endlich Papiere, habe einen Arbeitsvertrag in Lüneburg bekommen. In Lüneburg habe ich einen syrischen Freund kennengelernt. Er meinte: „Ah du kochst gerne? Es gibt hier eine Gruppe, sie kochen regelmäßig zusammen. Wenn du willst, komm einfach mit nächsten Samstag.“ Dann bin ich dorthin. Vor allem wollte ich Kontakte und neue Leute kennenlernen. Über den Tellerrand war für mich eine Tür, die viele neue Möglichkeiten für mich geöffnet hat. Anfangs war ich nur ehrenamtlich dabei, als Koch.. Ich habe dann gemerkt: Ich kann hier etwas machen, etwas verändern. Mittlerweile bin ich angestellt als Ehrenamtskoordinator in Lüneburg und arbeite daran, dass ehrenamtliche Strukturen gefestigt werden. 
Ralf: Ich bin über Kitchen on the Run zu Über den Tellerrand gekommen. Der Küchencontainer war 2018 im Mai hier in Biberach. Ich habe zufälligerweise mitbekommen, und bin dann natürlich sofort hin. Und seitdem gefühlt nicht mehr gegangen. Ab dem ersten Abend im Container stand für mich fest: “Ich sorge dafür, dass hier in Biberach eine Gruppe entsteht, die die Idee weiter trägt”.

Wie habt ihr zwei Euch kennengelernt?

Ralf: Kennengelernt haben wir uns 2018 auf dem Satellitenkongress von Über den Tellerrand. Wir haben uns gut verstanden. Mohamad hat ein sehr schönes arabisches Gedicht geschrieben, das Hameed dann für alle übersetzt hat. Da hab ich zu ihm gesagt: „Ich muss Dir was erzählen“.

Mohamad: (lacht) Ich bereite mich gerade auf einen Roman vor. Und er hat gesagt: “Ich kenne eine Gruppe in Stuttgart, sie beschäftigen sich mit Schreiben und Literatur. Wenn Du Interesse hast, kannst Du gerne mit Maria Kontakt knüpfen.” Es war für mich sehr besonders, dass ich durch Über den Tellerrand jemanden kennengelernt habe, sondern sich auch darüber noch eine neue Tür geöffnet hat. Vielen Dank Ralf. Ohne Dich wäre ich nicht in Stuttgart gewesen und hätte die Gruppe nicht kennengelernt.

Was bedeutet Eure Freundschaft für Euch?
Mohamad: Für mich persönlich hat die Freundschaft gar nichts mit der Entfernung zu tun, sondern mit dem Gefühl, der Stimmung – seit wir uns kennengelernt haben, haben wir uns erst zweimal getroffen.
Ralf: Wir wohnen so weit auseinander: Lüneburg ist ja fast schon Dänemark, und Biberach ist schon fast in Österreich sozusagen. Ich frage immer Maria aus der Theatergruppe „Ist Mohamad da?“, und dann schaue ich, ob ich kommen kann. Uns verbindet die Bühne. Bei Mohamad ist es die Literatur, bei mir das Theater. Wir stehen gerne beide auf der Bühne.
Mohamad: Ich freue mich auch immer, wenn ich Ralf bei den Lesungen sehe. Das ist so gut für mich. Nicht weil ich jemanden von Über den Tellerrand kenne, sondern weil der Grund, warum ich auf der Bühne stehe im Publikum sitzt. Das ist so besonders für mich. 

Über seine Arbeit bei Über den Tellerrand hat Mohamad ein Gedicht geschrieben, das er gerne teilen möchte: 

Die Freude fängt an unserem Tisch an

Der Klang der Töpfe überall in der Küche
Auf beiden Seiten zwei Löffel
Der Erste glaubt ans Kennenlernen
Der Zweite verteilt die Liebe wie unsere Habibi Container
über mir viele bunte Teller

Der weiße Teller will Freude
Der Blaue liebt es zu tanzen
Der Gelbe glaubt ans Kennenlernen
Der Braune lacht den ganzen Abend
und der Pinke hat großes Interesse am Gelben und will ihn küssen

Der lila Teller ist vegetarisch
Der Orangene ist Vegan
Verbleiben drei grüne Teller: die, die gerne Fleisch essen, aber nur Halal
Der Rote isst alles auf dem Tisch, aber es muss Bio sein
unser Menü hat keine Grenze so wie Teller, Rezepte, Heimat, Sprache, Buchstaben,
Farbe, Religion, Feste, Zimmer,  Herz, Gefühle, Büros, Musik
und ihr alle seid herzlich willkommen, egal woher du kommst oder wer du bist oder ob du an Gott oder Pinguine glaubst

Lasst uns einfach in Toleranz leben
Um eine Familie der Freude zu werden
Damit wir gemeinsam lachen, als Verbindung unseres Lebens
Jeden Morgen schöpfen wir unsere Hoffnung aus der Morgendämmerung
Und bei jedem Sonnenuntergang verabschieden wir uns von der Traurigkeit

Wir malen die Schönheit unseres Lebens
Jeder Rose legen wir eine Melodie auf.

Und wählen eine Note, die für Toleranz, Respekt, Freunde,
Glück, Zusammenhalt, Über den Tellerrand steht

Lasst uns miteinander leben, unsere Kulturen verstehen und unsere Interessen teilen
Lasst uns alle Formen von Rassismus und Intoleranz überwältigen
und über unsere Schatten springen
Ich habe das Gefühl, dass Heimat ein Ort ist, der existierte, bevor ich geboren wurde.

Um die Ecke gibt es viele Gabeln, die gegen Rassismus, Gewalt und Hass sind und auf der andere Seite gibt es viele Löffel, die  Falafel, Hummus, und Diversität mögen
Auf dem Tisch gibt es einen Mix aus allen Ländern, Nationalitäten, Kulturen, Religion, Geschlecht, Farben, Geschmack. Er mixt unsere Gefühle miteinander, um zu beweisen dass wir gleich sind, Menschen sind, die alle Herz haben.

Außerdem ist es egal, ob du die Sprache beherrscht oder Artikel benutzen kannst
oder ob du weißt was der Unterschied zwischen Passiv und Konjunktiv 2 ist.  Hauptsache du bist nach Falafel verrückt und hast immer Platz in deinem Magen für Hummus.

Auf dem Herd kochen unsere Ziele mit Zwiebel und viel Hoffnung .
Wir schauen der Zukunft entgegen und wollen mehr Gewürze von Toleranz, Zusammenhalt und Integration auf den Herd bringen. Sogar die Zitrone wird süß und der Knoblauch riecht nach Jasminblumen.

Ich sehe überall orange und lila sowie bunten Farben und höre nur make the world a better plate

 

 

 

#wirGlaubenanskennenlernen